Gefäßzugangsentwicklung für die intermittierende Hämodialyse
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Die Entdeckung und Entwicklung der Hämodialyse
Das Zellophan eine bahnbrechende Entwicklung
Gefäßzugangsentwicklung für die intermittierende Hämodialyse
Die Nebenrolle, die das Personal
zu dieser Zeit bei der Dialysebehandlung spielte ist sicher damit zu erklären, daß
Dialysen nur sporadisch bei akuten Nierenversagen durchgeführt wurden.
Dieser Tatbestand sollte sich grundlegend ändern, als 1960 Belding
Scribner zusammen mit Wayne Quinton den nach ihm benannten "Scribner -
Shunt" entwickelte.
Dr. Clausing, der Hausarzt eines chronisch Nierenkranken in Seattle,
erhielt eines Tages eine Mitteilung über ein neues "Versuchsprogramm für
Nierenkranke". Es war erst kürzlich in Seattle in der Universitätsklinik neu gebaut
und eröffnet worden. Die Mitteilung verkündete, daß zum ersten Mal der Versuch
unternommen werden sollte, mit einer besonders konstruierten Anschlußvorrichtung aus
Teflon und Kunststoff, Nierenkranke auf unbegrenzte Zeit zu behandeln.
Allerdings
befand sich dieses Versuchsprogramm erst im Stadium der Tierversuche und es war, nach
Aussage von Dr. Scribner, noch nicht daran zu denken, diese Vorrichtung am Menschen zu
erproben. Dr. Clausing erkundigte sich, wie lange es noch dauerte, da er einen
jungen Mann mit chronischer Niereninsuffizienz betreute.
Die Lebenserwartung des
Patienten, Clyde Shields, schätzte Dr. Clausing auf einige Wochen. Clausing bedrängte
Scribner, sich Clyde Shields anzusehen. Einige Tage nachdem Dr. Scribner die Krankenakte
des Patienten gelesen hatte, bestelllte er Clyde Shields zu einer ersten Untersuchung.
Emma Shields brachte gleich am nächsten Tag ihren Mann in das "Clinical Research
Center", dem Platz, in dem die Geschichte der chronischen
Hämodialyse von Belding Scribner und Wayne Quinton geschrieben werden sollte.
Clyde Shields in einem Interview: ......"Sie entschieden sich nicht sofort....... Sie waren wirklich noch nicht fertig, und ich glaube, sie überlegten hin und her...... Sie arbeiteten Tag und Nacht an dem Shunt, aber sie hatten noch Probleme......
Dr. Belding Scribner: ....."Am 09. März wurde der Shunt in seinen Arm einoperiert, die erste Behandlung begann sofort...... Heute würden wir wegen der Gefahr von Blutungen nicht mehr so schnell vorgehen".......
Die Probleme, die der Shunt in diesem nicht ausgereiften Stadium bot,
war nur der eine Teil des Risikos, das getragen werden mußte. Das andere Problem war die
Dialyselösung. Um Dialysebehandlungen von mindestens vierundzwanzig Stunden durchführen
zu können, waren große Mengen nötig. Der Gefahr einer Verkeimung begegnete man, indem
man die Lösung auf Null Grad absenkte. Demzufolge mußte aber wiederum das dadurch
abgekühlte Blut wieder erwärmt werden und die blutführenden Systeme durch ein
"Warmwasserbad" geleitet werden.
Als man die Teflonkanülen in Clyde Shields einpflanzte, war er schon
nicht mehr bei Bewußtsein.
In den ersten vierundzwanzig Stunden in
denen Clyde Shields an den Dialysator angeschlossen war, kam es "nur" zu
zwei Zwischenfällen. Das abgekühlte Blut wurde in dem Wasserbad nicht genug
erwärmt und führte zu starkem Schüttelfrost. Nachdem man den Patienten in eine
Heizdecke gewickelt hatte, war das Problem behoben.
Das zweite Problem war wesentlich dramatischer. Es kam zu einer
gefährlichen Keimentwicklung im Dialysat, - trotz der vorangegangenen
Kühlung. Wie durch ein Wunder kam es zu keiner Infektion. Nach Erneuerung der Lösung und
eingehender Sterilisation aller Maschinenteile, wurde die Behandlung fortgesetzt.
Nach achtundvierzig Stunden wurde Clyde Shields langsam wach,
und nach fünfzig Stunden war er in der Lage bei klarem Bewußtsein zu sprechen. Nach
siebzig Stunden erklärte er, daß er sich zum ersten Mal wieder als "Mensch"
fühlte.
Nach insgesamt sechsundsiebzig Stunden wurde diese erste Dialyse
über einen mehrfach zu benutzenden Gefäßzugang beendet.
Nur einen Tag fühlte sich Clyde wohl. Die lange Dialysedauer hatte
seinen Elektrolytspiegel völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Hoher Blutdruck und
Lungenödem erforderten eine sofortige erneute Dialysebehandlung. Die Sorge, ob der
Gefäßanschluß ein zweites Mal problemlos funktionieren würde, war unnötig. Wenn etwas
funktionierte - dann war es, auch bei den folgenden Behandlungen, der neuartige
Gefäßzugang.
Clyde Shields, der erste Patient mit einem Scribner - Shunt,
überlebte lange Jahre als Dialysepatient und fast auf den Tag genau nach neun
Jahren Klinikdialyse, wurde er 1969 in die Heimdialyse entlassen. Seine
gesundheitlichen Probleme waren zu der Zeit die gleichen wie bei unseren heutigen
Langzeitpatienten, u.a. Knochenschmerzen und Shuntprobleme.
Die Dauer, über die ein Patient die Dialysebehandlung benötigte,
spielte nun keine so lebenserhaltende Rolle mehr. Die Hürde, chronisch Nierenkranke
behandeln zu können war, mit der Entwicklung des Scribner Shunts genommen.
Ab 1964 begann Belding Scribner seine Patienten für die Heimdialyse
zu trainieren.
Obwohl für die chronisch Nierenkranken strenge Auswahlkriterien
galten, wuchs die Zahl der Patienten, und die Kosten stiegen. Man versuchte, die Kosten zu
senken, um auf die steigende Zahl der behandlungsbedürftigen Patienten mit mehr
Behandlungsplätzen reagieren zu können.
Frederik Kiil, ein Norweger, entwickelte schon Ende der 50er Jahre
einen Dialysator, der wie die Trommelnieren nicht zum einmaligen Gebrauch bestimmt war,
sondern immer wieder neu verwendet werden konnte, wenn man die Membranen erneuerte.
Kiil Dialysator |
Deshalb wirkte sich der Kiil - Dialysator günstig auf die Behandlungskosten aus. Es war ein Plattendialysator von beachtlicher Größe. Frederik Kiil verwendete als Erster Cuprophan.
Die Vorbereitung war wie bei den
Trommeldialysatoren zeitaufwendig. Da die Membranen unsteril waren, mußte der Dialysator
mit Formalin gefüllt werden, um eine Sterilisation zu erreichen.
Später wurden diese Membranen steril gefertigt, und damit war der
Einsatz des Kiil - Plattendialysators etwas vereinfacht. Der Zeitaufwand für eine
Zentrumsdialyse mit mehreren chronischen Patienten war trotzdem noch enorm.
Erste Einmalspule nach Kolff-Watschinger |
Zwar gab es schon Spulendialysatoren, wie z. B. die von W. Kolff und B. Watschinger 1955 entwickelte "Orange juice coil kidney", jedoch wurden wiederverwendbare Dialysatoren vielerorts bevorzugt. Doch mit dem Zuwachs der Patientenzahlen tendierte man letztendlich zu Einmaldialysatoren.
Alwall Plattendialysator |
Neben Spulendialysatoren kam auch bald der erste Einmalplattendialysator der Welt nach Dr. Nils Alwall zum Einsatz.
Auch bei den Dialysegeräten machte sich der
Fortschritt bemerkbar. Es gab eine Vielzahl an Einzelgeräten, aber auch die
Zentralversorgungsanlagen wurden in ihrer Technik verbessert. Das Prinzip: zentrale
Dialysatversorgung von einem Vorratstank aus, dezentrale Patientenüberwachung durch
einzelne Überwachungsmonitore an jedem Bett der Patienten.
Technische Raffinessen eine zum Beispiel in Nürnberg, waren u.a. ein
einziger Blutleckdetektor für 4 Betten, der sich an der Decke des Dialyseraumes befand.
Die Gerinnungskontrollen während der Dialyse am Bett des
Patienten, wurden mit der damals üblichen und einzigen Methode vorgenommen, mit der
Uhrglasmethode.
Akustische Alarme störten kaum, denn überwacht am Monitor wurden
nur Unterdruck und Venendruck. Luftfallenalarm war unbekannt, - es gab noch keine
Luftfallen.
Das in einem 400-l-Tank selbst gemixte Dialysat, bestand aus 380 l
Wasser, 20 l Konzentrat und 5 kg Traubenzucker. Auf einem Stuhl stehend wurde es
sorgfältig mit einem durchlöchertem Paddel umgerührt, denn der Tank stand wegen des
benötigten Gefälles erhöht. Die Leitfähigkeit konnte noch nicht gemessen werden und
war vergessen worden, ob Konzentrat und Traubenzucker in den Tank gefüllt waren, blieb
immer noch die Geschmacksprobe.
Einige, auch als "vollautomatisch" bezeichnete
Einrichtungen, wie z. B. der Behälter, in dem das Dialysat auf Körpertemperatur erwärmt
wurde, verursachten häufig Überschwemmungen.
Modifizierte Zentralanlagen boten einige Neuerungen. Das Dialysat
wurde automatisch gemischt, es gab eine Leitfähigkeitsmessung und für je 2 Patienten
einen Blutleckdetektor. Auch wurde die Temperatur des Dialysats überwacht.
A-V-Fistel |
Die Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Gefäßanschlüsse, die A-V Fistel von James Cimino 1966, bedeutete für Dialysepatienten nicht nur einen länger funktionierenden Gefäßzugang, sondern auch weniger persönliche Einschränkungen. War es mit einem Scribner-Shunt schon ein Problem, zu Hause ein Bad zu nehmen, war jetzt auch ein Besuch im Schwimmbad möglich. Da es zu dieser Zeit nur junge Patienten gab, war diese Entwicklung von besonderer Bedeutung.
Doch allein mit der Weiterentwicklung auf dem Gebiet
der Gefäßanschlüsse und dem Fortschritt bei den Dialysatoren waren die Probleme der
chronisch Nierenkranken nicht gelöst.
Eigentlich begannen sie jetzt erst richtig, nachdem man in der Lage
war eine Nierenersatztherapie über Jahre hinweg durchzuführen. Deshalb gehört zur
geschichtlichen Entwicklung auch ein Bereich, der nichts mit Dialysetechnik oder
medizinischen Problemen zu tun hat.