Das Zellophan eine bahnbrechende Entwicklung
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Die Entdeckung und Entwicklung der Hämodialyse
Das Zellophan eine bahnbrechende Entwicklung
Gefäßzugangsentwicklung für die intermittierende HämodialyseTrotz dieser düsteren Beschreibung waren es aber gerade die 30er Jahre in denen eine Entdeckung gemacht wurde, die den Durchbruch zur Entwicklung leistungsfähiger Dialysatoren bedeutete. Wilhelm Thalhimer entdeckte 1937 das Zellophan als semipermeable Membran.
Dr. Willem Kolff
Das qualvolle Sterben in der Urämie
beschäftigte 1938 einen jungen Arzt an der Universität Groningen in Holland, Dr.
W. Kolff. Als er durch den Biochemiker Professor Brinkmann, einen seiner Lehrer, von
der Brauchbarkeit des Zellophans als semipermeable Membran erfuhr, beschäftigte er sich
intensiv mit Dialyseversuchen.
1941 waren für Kolff die finanziellen Voraussetzungen gegeben, um mit der Entwicklung seiner künstlichen Niere zu beginnen. Beim ersten Modell handelte es sich um eine rotierende Trommelniere, von der insgesamt 8 Stück hergestellt wurden. Um die Trommel wurden 30 - 40 m Zellophanschlauch gewickelt, der 1937 als Kunstdarm für Würste erstellt und von Wilhelm Thalhimer in der Wurstindustrie für die Dialyse entdeckt wurde. Die effektive Oberfläche von Kolffs erster Niere betrug ca. 2,4 qm. Die Trommel, zuerst aus Aluminium hergestellt, wurde später aus Holz gefertigt, als durch die Auswirkungen des Krieges Aluminium nicht mehr zur Verfügung stand. Die Wanne faßte ca. 100 l selbst bereitetes Dialysat.
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Kolff-Trommelniere um 1945 |
Eines der größten Probleme, das es in
dieser Phase der Entwicklung; zu bewältigen galt, war der Gefäßzugang. Hierzu
mußten jeweils eine Arterie und eine Vene der Extremitäten freipräpariert werden. In
jedes Gefäß wurde eine Glaskanüle eingeführt. Nach der Behandlung wurden die
Glaskanülen entfernt, und; die benutzte Vene war unbrauchbar für eine weitere
Behandlung. Nach maximal 12 Behandlungen waren alle oberflächlichen Venen verbraucht und
es konnte keine weitere Behandlung vorgenommen werden.
Durch die Rotation der Trommel wurde das Blut durch die
Zellophanschläuche transportiert. Vor der Dialyse wurde dem Patienten das Füllvolumen
des Dialysators an Fremdblut transfundiert. Das Verdrehen der Blutleinen, das durch
die Rotation auftrat, wurde mittels "Split-coupling-System", wie es für die
Wasserpumpen in Automobilen benutzt wurde, gelöst.
....."Wir alle erlebten einen Tiefpunkt der Depression und
Hoffnungslosigkeit, alsKolff in seinen Bemühungen, Unterstützung zu erhalten,
eine Reihe von Persönlichkeiten einlud, um ihnen eine Behandlung mit der
Niere vorzuführen. Dabei kam es zu einer Verletzung des Zellophandarmes.
Der Anblick des Kranken und die Vorstellung, daß das Blut aus seinem
Körper durch eine primitive Maschine lief, war schon eine Belastung für den Laien -
vielleicht sogar für Ärzte. Als aber darüber hinaus; blutig - rötlicher
Schaum über die Wanne sprudelte und auf den Fußboden floß, als Bob Noordwijk nach
seinen wasserdichten Gummistiefeln griff, da war die Grenze dessen erreicht, was
Außenstehende ertragen konnten.
In solchen Augenblicken war Kolff so mitgenommen, daß er
vergaß, seine Chirurgenmaske abzunehmen und zur Verwunderung der Leute mit der Maske auf
dem Gesicht auf dem Fahrrad nach Hause fuhr."......
Nach 16 vergeblichen Dialysen, die Dr. Kolff durchführte, geschah es zum ersten Mal in der Entwicklungsgeschichte der künstlichen Niere, daß eine Patientin durch die Dialyse ein akutes Nierenversagen überlebte. Am 11. September 1945 dialysierte Kolff eine 68- jährige Patientin, bis ihre eigene Nierenfunktion wieder einsetzte. Dieser Erfolg bedeutete den Durchbruch für die weitere Entwicklung auf dem Gebiet der Hämodialyse.
Dr. Nils Alwall
Ab etwa Mitte der 40er Jahre, als Kolff seinen Triumph feierte, befaßte sich ein schwedischer Arzt ebenfalls mit Dialyseversuchen: Dr. med. FD Nils Alwall. Er entwickelte eine; Art vertikaler Trommelniere. Sie bestand aus einem Kernstück aus Metallgitter, um das der Zellophanschlauch gewickelt wurde, und aus einer Ummantelung ebenfalls aus Drahtgitter, die die Ausweitung der Zellophanschläuche während der Dialyse verhinderte. Dadurch wurde der durch die Blutpumpe erzeugte positive Druck auf der Blutseite aufgefangen.
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Alwall-Netzzylinder um 1950 |
Mit diesem Dialysator war erstmals
richtige Ultrafiltration möglich, während man zuvor nur durch zum Teil hohe
Glucosekonzentration im Dialysat einen Wasserentzug hatte erreichen können. Die
Behandlungserfolge, die Alwall den Erfolgen von Kolff hinzufügen konnte, lassen es
unbegreiflich erscheinen, mit welchen Vorurteilen Ärzte wie Nils Alwall in den 40-er
Jahren zu kämpfen hatten. Leitende Internisten lehnten die Methode als unnötig,
unethisch und lebensgefährlich ab. Alwall berichtet vom Spott seiner Kollegen, die, wenn
er einen Patienten dialysiert hatte und der danach trotzdem verstarb, sagten, der
Patient sei "ge-alwallt" worden.
Unbeirrt setzte Nils Alwall seine Arbeit fort und eröffnete 1950 das
erste Dialysebehandlungszentrum.
Trotz aller Schwierigkeiten fand die künstliche Niere immer mehr
Beachtung. Neben der Entwicklung des Alwall - Dialysators war die Kolff-Trommelniere
keinesfalls aus der Mode gekommen. In den späten 40er Jahren setzte sich das Interesse,
die Dialyse in der Klinik praktisch durchzuführen, gegenüber der experimentellen
Anwendung im Labor, immer mehr durch. Nicht nur in ganz Europa, sondern auch über den
Atlantik bis nach Kanada und in die Vereinigten Staaten wurde diese neue
Behandlungsmethode bekannt.
Auf Anfrage von Abraham Hyman vom Mount Sinai Hospital in New York
City brachte Kolff seine Trommelniere 1947 in die Vereinigten Staaten, um Mediziner im
Umgang mit seinem lebenserhaltenden Gerät zu trainieren. Die Behandlung durfte nur nach
vollendetem OP-Programm im Operationssaal durchgeführt werden. Das Pflegepersonal stand
dieser neuen Behandlungsform sehr distanziert gegenüber.
Natürlich blieb die Entwicklung der Kolff-Trommelniere nicht beim
Erstmodell stehen. Änderungen sorgten für eine bessere und leichtere Handhabung und
sogar optisch; war diese künstliche Niere nicht mehr so erschreckend.
Diese Kolff-Brigham-Niere wurde u. a. im Korea-Krieg für verwundete
Soldaten eingesetzt, die ohne Dialysebehandlung keine Überlebenschanche gehabt hätten.
Nach den Versuchen von Dr. G. Haas von 1924-1928 dauerte es bis zur
Wiederaufnahme dieses Verfahrens in Deutschland bis zum Sommer des Jahres 1948. Der
deutsche Arzt Dr. C. Moeller (1910-1965) informierte sich durch das Studium der Arbeiten
von Kolff und Alwall über die künstliche Niere. Dr. Curt Moeller war zu dieser Zeit
Stationsarzt im Marienkrankenhaus in Hamburg.
Bereits im September desselben Jahres
erfolgte durch Dr. Moeller die Kontaktaufnahme zur Fa. Hübscher, einem Unternehmen für
Medizintechnik und Laborbedarf, zwecks Planung zur Entwicklung einer künstlichen Niere.
Die Ideen für die Herstellung der künstlichen Niere wurden schnell realisiert und
bereits im November 1948 war Modell I der Moeller-Niere fertiggestellt.
Wie bei Kolff und Alwall wurde der verwendete Zellophanschlauch als
künstlicher Wurstdarm hergestellt und für die Dialyse "zweckentfremdet".
Die aktive Oberfläche der ersten künstlichen Niere Deutschlands
betrug 0,25 qm, das Blutfüllvolumen ca. 500 ml. Das Gehäuse des Dialysators war aus
Hartgummi.
Der Vorteil dieses Dialysators war, im Vergleich mit dem Alwall;
- Dialysator, die Wahl des Materials. Da Hartgummi millimetergenau bearbeitet werden
konnte, wurde es möglich, diesen Dialysator nach außen völlig abzudichten.
Während der Alwall -; Dialysator noch einen Tank mit
Dialysat benötigte, war es beim Moeller - Dialysator möglich, ein
Gegenstromprinzip zu verwirklichen.
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Mit diesem Dialysator wurde u.a. 1959 in Nürnberg mit der Dialyse begonnen |
Mit dem Erstmodell wurden 11 Dialysen durchgeführt. Die erste
erfolgreiche Dialyse am Patienten erfolgte am 8. März 1950 und war gleichzeitig die erste
klinisch effektive Dialyse in Deutschland.
1953 erfolgte die Fertigstellung des Modells II, mit 0,6 qm
Oberfläche. Mit diesem Modell wurden nicht nur Patienten im Marienkrankenhaus behandelt.
Auswärtige Kliniken meldeten sich, und Dr. Moeller reiste mit voller Dialyseausstattung
zu den Kliniken, die einen Patienten zur Behandlung anmeldeten.
1955 wurde Modell III der Moeller-Niere fertiggestellt. Die
Oberfläche betrug 0,9 qm. Insgesamt 34 Exemplare wurden davon gefertigt.
Der plötzliche Tod von Dr. C. Moeller 1965 beendete
jede Weiterentwicklung dieses deutschen Dialysatortyps.
Der Gefäßanschluß, immer noch mit Glaskanülen hergestellt,
brachte immer noch eine Begrenzung der Anzahl der Dialysen pro Patient mit sich. Bei
akuten Nierenversagen, die über einen längeren Zeitraum bestanden, war die damalige
Dialyse überfordert.
Über den Aufgabenbereich des Pflegepersonals gibt es aus dieser
Zeit wenig zu berichten. Das Tätigkeitsfeld war sehr begrenzt. Es umfaßte vorwiegend
Blutdruckkontrollen in 2-3 minütigen Abständen während einer Behandlungsdauer von 6 bis
8 Stunden und normale pflegerische Maßnahmen, wenn das Bewußtsein der Patienten durch
die Entgiftung während der Behandlung langsam wiederkehrte.
Im Original der Betriebsanleitung der Moeller-Niere steht unter
"Personal": Eine Pflegeperson für den Patienten soll während der Dialyse
zugegen sein, damit den Ärzten die Betreuung des zumeist tief comatösen Patienten
abgenommen ist.