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Bei Anruf Niere, von Lutz Denker

Lutz Denker
Lutz Denker

Am Freitag, den 18.6.'99 um kurz nach 9.00 Uhr, ich hatte mir gerade eine Tasse Kaffee eingeschenkt, klingelte das Telefon. Ich nahm ab. Mein behandelnder Arzt meldete sich mit den Worten: "... Halten Sie sich fest, es ist eine Niere für Sie da."" Dies war der Moment, auf den ich gut 4 Jahre gewartet hatte, dem ich aber auch immer mit einem ängstlichen Gefühl entgegensah. Was war jetzt zu tun? Klar: Schnellstmöglich in die Uniklinik nach Lübeck. Mein Herz klopfte, ich war aufgeregt. Wir sprachen noch ein paar Sätze (ich weiß nicht mehr worüber). Dann legte ich auf und überlegte, wie ich nun vorgehen sollte, wobei ich unruhig in der Wohnung auf und ab ging. Zunächst verständigte ich meine (berufstätige) Frau und meine Eltern; wir vereinbahrten, uns in der Uniklinik zu treffen. Nun brachte ich unseren 3 Monate alten Sohn zu einer Nachbarin, die sich seiner gerne sofort annahm. Eine andere Nachbarin bat ich, mich ins Krankenhaus zu fahren; ich hatte mir dies für den Tag X vorgenommen, um nicht selber in einer womöglich verkehrsuntauglichen Verfassung fahren zu müssen.
Schnell überlegte ich noch, was ich mitnehmen sollte, konnte mich aber aufgrund meiner Nervosität nicht zum logischen Denken zwingen und entschied mich dann dafür, gar nichts einzupacken, weil ich in den ersten Stunden bestimmt nichts benötigen würde.

Um kurz vor 11.00 Uhr, nach einer für mich langen Fahrt, die Objektiv aber nur ca. 40 min. gedauert haben mag, traf ich im Transplantationszentrum der Medizinischen Universität Lübeck ein, wo ich bereits erwartet wurde: "Sind Sie Herr Denker? Bitte gehen Sie dort in dieses Zimmer, eine Schwester wird sich weiter um Sie kümmern."
Mir wurde ein Bett zugewiesen und eine große Anzahl Röhrchen Blut abgenommen; u.a. für den noch durchzuführenden Cross-match -auch Kreuzprobe-, der unmittelbar vor der Transplantation durchgeführt wird, um die Übereinstimmung zwischen Transplantat und Empfängerorganismus endgültig zu bestätigen. D.h., so teilte man mir mit, dass u.U. bei einem positiven Cross-match -welcher vier Stunden dauern würde- die Operation noch abgesagt werden müßte; dies käme jedoch sehr selten vor.
In der Zwischenzeit stellte ich mich einer Reihe von Untersuchungen und Aufklärungsgesprächen, die routinemäßig abliefen: Allgemeine Untersuchung, Gespräche mit einem Anästhesisten und einem Chirurgen, Röntgen, Ultraschalluntersuchung, Magenspiegelung. Inzwischen war das Ergebnis des Cross-match eingetroffen: Die OP konnte durchgeführt werden. Letzte Vorbereitungen, ins weiße Hemdchen schlüpfen, Schmuck ablegen, der Shunt wurde dick in Watte gewickelt und so vor unbeabsichtigter "Beschädigung" während der OP geschützt ('was haben die mit mir vor?!'). Dann wurde ich in meinem Bett zum Operationssaal gefahren.
Es war mittlerweile 17.00 Uhr. Doch die Zeit von meinem Eintreffen bis jetzt lief vor meinen Augen wie ein zu schnell abgespielter Film ab; und irgendwie fühlte ich mich wie abwesend, sodass ich diese Zeitspanne viel kürzer, vielleicht wie zwei Stunden(?), empfunden habe (ganz im Gegensatz zu meinen die ganze Zeit anwesenden Familienmitgliedern).
Nun lag ich im Vorbereitungsraum und wartete, dass der Operationssaal fertig sein würde (ich glaube, er mußte noch gereinigt werden). Ich war erstaunlich gelassen. Dies lag wohl an dem Schlafmittel, welches ich zur Magenspiegelung bekommen hatte und welches sicherlich noch nachwirkte. Kurz vor 18.00 Uhr gab mir der Anästhesist eine Spritze, die mich ins 'Reich der Träume' schickte.

Das nächste, woran ich mich erinnere, war ein penetrantes piepsen und hektisches Treiben um mich herum; eine Schwester rief meinen Namen. Ich wurde jedoch nicht richtig wach. Mein Hals war trocken und ich spürte irgendetwas in meinem Hals (ein Beatmungsschlauch, der durch die Nase eingeführt war). Ich schlief wieder ein.

Gegen 10 Uhr Samstag morgen, so schätze ich, wurde ich wach. Um mich herum jede Menge medizinische Geräte. Ich hatte einen Pulsfühler am linken Zeigefinger, einen Gefäßzugang in der Halsschlagader, drei Wundschläuche im Bauch, einen Blasenkatheder und -wie ich erst später erfuhr- einen 'Wärmefühler' im Hintern (ich wunderte mich bis dahin, wie dieses eine Gerät links von mir meine Körpertemperatur anzeigen konnte).
"Ach ja! Das wurde mir auch alles vor der OP in einem Aufklärungsgespräch so beschrieben." fiehl mir jetzt ein.
Da mein Kaliumwert durch die OP extrem hoch war, musste ich sofort an die Dialyse.

Am nächsten Morgen durfte ich bereits wieder essen und musste mich auf Geheiß der Schwester bereits hinstellen, was ich als sehr schmerzhaft empfand. Überhaupt hieß es jetzt: Möglichst oft auf die Beine und viel gelaufen, zunächt mit Unterstützung einer Schwester oder eines Pflegers. Mein Bettnachbar, er hatte seine Niere schon länger und war wegen eines anderen Leidens in der Klinik, versicherte mir, dass die Schmerzen im Nu verflögen und ich dann den Gang runterliefe wie zuvor. Die ersten sieben Tage allerdings wollte ich ihn einen Lügner schimpfen, denn jede Bewegung aus der Rückenlage heraus tat weh, ganz zu schweigen vom Laufen; am schlimmsten jedoch war das Hinsetzen (das Sitzen auf der Toilette war reine Folter).
Dann jedoch, innerhalb der nächsten drei Tage, konnte ich fast schmerzfrei Aufstehen, mich hinsetzen und Laufen.
Das hätte ich auch gerne etwas ausgiebiger gemacht, wenn ich nicht ständig so schwach und müde gewesen wäre. Mein Hämatokritwert war enorm niedrig (18) und man bot mir mehrfach Bluttransfusionen an, welche ich in der Hoffnung ablehnte, dass sich mein Zustand von selbst normalisieren würde. Da jedoch nichts derartiges geschah und ich wo ich stand und saß auf der Stelle einschlief, verlangte und bekam ich zwei Transfusionen, von deren Wirkung ich allerdings etwas enttäuscht war.

Eine andere Sache, die von vielen frisch Nierentransplantierten als sehr belastend empfunden wird, war die, das meine Niere nicht sofort ihre Arbeit aufnahm, sondern erst nach sechs Tagen. Mich hat dieser Zustand in keinerweise beunruhig. Ich weiß nicht, ob die Schmerzen und mein Dämmerzustand der Grund war, dass ich irgenwie nie daran gezweifelt habe, dass die neue Niere 'anspringen' wird.
Na ja, was soll ich sagen? Als es feststand, dass die Niere arbeitete und die produzierte Urinmenge täglich wuchs, war ich natürlich sehr froh. Und besonders freute mich die Ankündigung des Arztes, die Zeit der Dialyse sei damit vorbei; ich war nach der OP nur noch insgesamt dreimal an der Dialyse gewesen.

Die Schläuche übrigens, die überall aus meinem Körper ragten, verschwanden nach und nach innerhalb der ersten Woche; zu meiner Erleichterung relativ schmerzfrei (Danke liebe Leute von Station 19T!).
Der regelmäßige Verbandwechsel und die Ultraschalluntersuchungen des Transplantats gaben mir freie Sicht auf die Narbe. Ich will ja nicht protzen, aber 25 cm waren das mindestens. Aufgrund ihrer Form nennen die Ärzte die Art Schnitt, der zu meiner OP-Narbe führte, Hockeyschnitt (Feldhockey, vermute ich ;-).

Einen Stimmungsdämpfer bekam ich, als ich mich gerade an meine neue Situation gewöhnt hatte und dachte, es könne eigentlich nur bergauf gehen. Anhand einer Blutprobe stellte man am siebten Tag nach der OP eine Abstoßungsreaktion fest. Durch die engmaschigen Kontrollen in einem sehr frühen Stadium. Zur Bestätigung und Präzisierung der Diagnose wurde eine Biopsie an dem Transplantat durchgeführt. Dabei wurde unter Ultraschallkontrolle eine Hohlnadel durch die Bauchdecke 'geschossen'. Diese bringt beim zurückschnellen eine Gewebeprobe der Niere mit. Das Unangenehme daran ist, dass man anschließend mit einem sehr strammen (wenn ich sage 'sehr stramm', meine ich 'wirklich sehr stramm') Druckverband zwölf Stunden Bettruhe verordnet bekommt.
Ich wurde mit hochdosiertem Kortison behandelt und die Abstoßungsreaktion konnte ohne Schaden abgewendet werden. Wie mir die Ärzte daraufhin mitteilten, sei eine Abstoßungsreaktion in den ersten 14 Tagen nach der OP sehr häufig, vor allem bei jungen Patienten (Danke für das Kompliment), da diese ein noch aktiveres Immunsystem hätten. Es sei außerdem zu begrüßen, dass diese Abstoßungsreaktion noch im Krankenhaus eintrat, da sie so sehr früh und mit gutem Ergebnis behandelt werden hätte können.
Nebenbei bemerkt ist die Biopsie des Transplantats lange nicht so schlimm wie eine Biopsie der 'eigenen' Nieren, was ich sagen kann, da ich beide Varianten kennenlernen durfte.

Neben den Medikamenten gegen Abstoßungsreaktionen, Immunsuppressiva genannt, musste ich jede Menge blutdrucksenkende Tabletten einnehmen. Trotzdem war mein Blutdruck den Ärzten zu hoch, so dass ich mich zwecks Ursachensuche weiteren Untersuchungen unterziehen musste. Das waren mehrere Ultraschalluntersuchungen sowie eine Angoskopie, während der durch die Hauptschlagader in der Leistenbeuge ein Schlauch bis in die Arterie des Transplantats vorgeschoben wurde, durch den ein Kontrastmittel gespritzt wurde, um anschließend Röntgenaufnahmen zu machen.
Gleich danach wurde mir dann ein sehr strammer (wenn ich sage 'sehr stramm', ...) Druckverband angelegt und ich bekam 24 Stunden strengste Bettruhe verordnet.
Als Ergebnis eröffnete man mir die Vermutung, der Grund für den hohen Blutdruck sei wahrscheinlich eine zu enge zweite Arterie der neuen Niere und man müsse evtl. diese mit einem Ballon weiten und vor Verschluß schützen. Dies würde man aber frühestens in vier Wochen durchführen.

Nun wirklich der Meinung das schwerste hinter mir zu haben und eigentlich nur noch meine Zeit bis zur Entlassung 'abzusitzen' bestand mir noch ein letzter Eingriff bevor: Jeder Nierentransplantierte hat zum Schutz vor 'Abknicken' eine Schiene in der Harnröhre, die wie zwei aneinadergeklebte 'J' aussieht und daher Double-J-Schiene genannt wird. Diese musste natürlich noch entfernt werden.
Dazu begab ich mich in die Urologie, wo ich auf einem Stuhl, wie man ihn beim Gynäkologen findet, platznehmen durfte. Nach einer örtlichen Betäubung wurde die Schiene mit einem 'Greifer' durch die Harnröhre entfernt. Anschließend präsentierte mir der Arzt stolz die soeben entnommene Schiene ('Na, dann haben wir sowas ja auch 'mal gesehen.')
Dieser Eingriff war ein kleiner, ich ging alleine auf meine Station zurück, doch spürte ich nachdem die Wirkung der Betäubung nachgelassen hatte, ein unangenehmes Brennen, welches beim Wasserlassen noch stärker wurde. Das wäre jedoch normal, erklärte man mir, und ginge schnell vorrüber, was es auch tat.

Medizinisch war alles perfekt gelaufen. Ich hatte allen Grund zur Freude. Und obwohl ich auf der Station 19T in der Uniklinik Lübeck hervorragend betreut wurde, fieberte ich der Entlassung entgegen. Diese kam dann auch recht plötzlich zweieinhalb Wochen nach der OP.
Alles andere als fit -die OP, jede Menge Tabletten und 18 Tage fast nur im Bett hinterlassen unweigerlich konditionelle Schwächen- aber glücklich verließ ich die Klinik.
Zunächst viel mir noch jede Tätigkeit schwer; jede Benutzung der Treppe ins Obergeschoss unseres Heims geriet zu einer anstrengenden Expedition. Doch langsam aber sicher normalisierte sich mein Zustand. Die wöchentlich bestimmten Blutwerte verbesserten sich jedesmal, der Blutdruck sank und die Tablettendosis zur Blutdrucksenkung ebenfalls.
Sie merken es an der Art wie ich über meine OP schreibe, alle Schmerzen, alle unangenehmen Erinnerungen an die unangenehmen Untersuchungen verschwanden nach wenigen Wochen. Dachte ich noch einige Tage nach meiner Entlassung 'körperlich geht es mir ja schlechter als unter der Dialyse', so weiss ich heute gar nicht mehr, wie ich es viereinhalb Jahre mit den Einschränkungen der Dialysebehandlung ausgehalten habe und wünsche mir, dass diese Zeit so schnell nicht mehr wiederkommt.

Viele Transplantierte fühlen sich nach der OP buchstäblich neu geboren und einige feiern auch diesen Tag als zweiten Geburtstag.
Da es mir unter der Dialyse nie so richtig schlecht ging, wenn auch die körperlichen Einschränkungen aus der Sicht eines Gesunden enorm erscheinen, hatte ich dieses wie-neu-geboren-Gefühl nicht, zumal es einige Zeit dauerte, bis es mir wieder gut ging.
Trotzdem führe ich jetzt ein anderes, besseres Leben und ich bin sehr froh darüber, dass es jemanden gab, der es mir durch seine uneigennützige Organspende ermöglicht, nach seinem Tod mit einem seiner Organe dieses Leben zu leben. Danke, wer immer Du warst.


Per email stehe ich auch gerne zum Erfahrungsaustausch oder für Fragen, bzw. dessen Partnern oder allen anderen Interessierten, zur Verfügung.

Lutz Denker

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